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Wenn Läufer auf den Hund kommen
Foto: wikimedia/Marco Verch
LAUFENDE ERMITTLUNGEN
Niemand kommt um Erfahrungen mit bellenden und bissigen Vierbeinern herum.
Eine der ersten Weisheiten, die man als angehender Journalist serviert bekommt, lautet, dass „Hund beißt Mann“ keine Meldung hergibt, sondern nur „Mann beißt Hund“, weil das nicht alle Tage passiert. Wenn ein Hund einen Läufer oder eine Läuferin beißt, kräht in der Regel auch kein Hahn danach, es sei denn, es kommt zu einem Fall von Tollwut. Dabei dürften, was mögliche Hundebisse anlangt, neben Briefträgern Läufer die Hauptrisikogruppe bilden.
Läufer und Hunde – das ist eine unendliche Geschichte, zu der fast jeder etwas anderes beisteuern kann. Auf der einen Seite gibt es die „Kynophoben“, die – aus welchen Gründen immer – eine ausgeprägte Angst vor Dobermann, Pudel & Co. haben. Sie machen um jeden bissfähigen Vierbeiner einen großen Bogen, Hundegebell versetzt sie in Alarmstimmung. Auf der anderen Seite zählen natürlich auch viele Freunde und Besitzer von Hunden zur großen Lauf-Community. Vor allem weibliche Jogger lassen sich mitunter gern von ihren treuen Vierbeinern begleiten.
„ER WILL JA NUR SPIELEN“
Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet – die natürlich völlig subjektiv sind, weshalb ich gerne ergänzende Lesermeinungen zu Kenntnis nehme – bin ich, selbst kein Hundebesitzer, heute sorgloser laufend unterwegs als früher. Hat vielleicht die Ausweitung der Laufszene bewirkt, dass sich immer mehr Hunde an laufende Menschen gewöhnt haben und nicht mehr glauben, ihnen unbedingt mit gefletschten Zähnen nachhetzen zu müssen? Oder bilde ich mir die Sorglosigkeit nur ein, während ich in Wirklichkeit Routine darin gewonnen habe, Gefahren, die von Hunden ausgehen, rechtzeitig auszuweichen? Dass Hunde heute öfter an der Leine geführt werden als früher, würde ich jedenfalls nicht unterschreiben.
Es gab eine Zeit, in der ich vor Hunden, die – bellend oder nicht – meinen Weg kreuzten, einigen Respekt hatte und mich lieber im vorsichtigen Gehtempo statt im flotten Laufschritt an ihnen vorbeibewegte. Denn es kam immer wieder vor, dass ein Vierbeiner ziemlich aggressiv an mir hochsprang. Den üblichen Spruch „Er will ja nur spielen“ vom anderen Ende der – meist nicht vorhandenen – Leine kannte ich von einer Karikatur, die einen Mann mit angenagtem Bein auf dem Besuchersessel eines Hundebesitzers zeigte. Gebissen wurde ich zum Glück nie. Das Schlimmste, was mir je passierte, war ein zerrissener Trainingsanzug – durch einen Hund, der, für mich völlig unerwartet, aus einer Autotür sprang. Die Besitzerin verhielt sich jedenfalls vorbildlich und bot mir sofort die Bezahlung eines neuen Laufanzuges an.
EIN HUND, DEN ALLE KENNEN
Wenn Menschen mit Hunden laufen, ist das wahrscheinlich in den meisten Fällen für beide vergnüglich. Allerdings habe ich auch einmal gehört, dass ein Läufer seinen Vierbeiner durch sein Intervalltraining in eine ernsthafte gesundheitliche Krise stürzte. Nicht jeder Hund liebt Läufe mit ständigen Tempowechseln.
Einen Hund kennen sicher alle – Kynophobe und Hundeliebhaber: den inneren Schweinehund. Vor allem in einem so kalten Winter wie jenem von 2016/17 mag dieses Wesen so manchen immer wieder vom Training abgehalten haben. So unklug es sein kann, bei Glatteis einen Beinbruch oder bei Anzeichen einer Erkältung eine längere Erkrankung zu riskieren, bei den meisten Wetterbedingungen kann man – mit entsprechender Ausrüstung – auch in der kalten und trüben Jahreszeit gut laufen. Je öfter man in den Wintermonaten den inneren Schweinehund besiegt hat, umso besser ist man auf die neue Laufsaison vorbereitet und befindet sich dann läuferisch nicht auf dem Hund oder gar unter dem Hund.
Der Mensch in seiner Einsamkeit
Der Mensch in seiner Einsamkeit
Umfassende Egon-Schiele-Ausstellung in der Wiener Albertina.
Von Heiner Boberski
Beitrag für die „Warte“ im „Luxemburger Wort“
Sein Tod jährt sich zwar erst am 31. Oktober 2018 zum 100. Mal, doch bereits im Jahr 2017 wird dem österreichischen Maler Egon Schiele von der Wiener Albertina eine große Ausstellung gewidmet. Die bis auf 20 Leihgaben aus eigenen Beständen der weltberühmten graphischen Sammlung gestaltete Schau präsentiert bis 18. Juni 2017 nicht nur den durch viele erotische Aktbilder berühmt gewordenen Tabubrecher des frühen 20. Jahrhunderts, dem nur ein kurzes Leben von 28 Jahren beschieden war, sondern einen vielseitigen Zeichner und Maler. Abgesehen von seinen Skizzenbüchern hinterließ Egon Schiele mehr als 330 Gemälde und über 2200 Zeichnungen.
Die Ausstellung führt chronologisch durch das Schaffen des Künstlers, der am 12. Juni 1890 in Tulln in Niederösterreich als Sohn eines Bahnhofsvorstandes geboren wurde. Schon als Kind fiel Egon Schiele mit seinen Zeichnungen auf. Sein Vater starb, als er 14 Jahre alt war, unter diesem Verlust litt er sein Leben lang. Gegen den Willen seines Onkels und Vormundes ermöglicht ihm seine Mutter die Bewerbung an der Akademie der bildenden Künste in Wien, wo Schiele im Oktober 1906 als jüngster Student in die Meisterklasse des Historienmalers Christian Griepenkerl aufgenommen wird. Aus diesem Jahr stammt ein schönes Kohle-Selbstporträt, das ihn mit Stehkragen und Masche zeigt.
Bereits im Jahr darauf lernt Schiele Gustav Klimt kennen, den er sehr verehrt und etwa zwei Jahre später mit sich selbst auf der mit Tusche lavierten Bleistiftzeichnung „Zwei Männer mit Nimben“ festhält. Schiele bezieht sein erstes Atelier und beteiligt sich ab 1908 an öffentlichen Ausstellungen. Gemeinsam mit Kollegen gründet er aus Protest gegen die konservative Ausbildung an der Akademie die Neukunstgruppe und bricht im Juli 1909 sein Studium ab. Im Dezember stellt die Gruppe erstmals in Wien aus. Schieles erste größere Einzelausstellung findet 1911 in Wien statt.
Zu diesem Zeitpunkt hat Schiele bereits seine persönliche Linie entwickelt und Werke von einer großen stilistischen und thematischen Vielfalt geschaffen, die seine Auseinandersetzung mit dem Naturalismus und Symbolismus, aber auch mit dem Spätimpressionismus und mit dem Wiener Jugendstil belegen. Virtuos macht er sich den Flächenstil der Wiener Werkstätte und der Sezession zu eigen und bringt seine Vorliebe für die dekorativ-ornamentale Linie zum Ausdruck. Unter dem Einfluss des Malers Max Oppenheimer, den er 1910 mit schwarzer Kreide, Tusche und Aquarell auf einem seiner treffenden Porträts festgehalten hat, wendet er sich dann dem Expressionismus zu.
Aufsehen und moralische Empörung erregt Schiele mit seinen zahlreichen, männliche Modelle eher kühl, weibliche aber in freizügig-erotischen Posen darstellenden Aktbildnissen, auch von sich selbst. Darauf wird nicht nur nichts verborgen sondern zeitweise hebt er sonst tabuisierte Körperstellen auch noch in wilder Kolorierung farblich hervor. Was damals völlig verdrängt wurde, dass nämlich Sexualität schon im Kindesalter eine Rolle spielt, legt Schiele drastisch offen – das geht bis zur Darstellung masturbierender junger Mädchen.
Dass er Kinder als Modelle nimmt, trägt ihm Argwohn, zumindest aber den Vorwurf ein, dass Kinder in seinem Atelier unmoralische Bilder zu Gesicht bekommen. 1912 verurteilt ihn das Amtsgericht St. Pölten wegen „ungenügender Verwahrung erotischer Akte“ zu drei Tagen Arrest. 125 für „obszön“ befundene Zeichnungen werden beschlagnahmt, eine Aktzeichnung wird symbolisch verbrannt. Bilder aus dieser Gefängniszeit, etwa „Die Tür ins Offene“, künden von Schieles panischer Angst, er könnte auf Jahre eingesperrt bleiben.
Ab 1911 ist Wally Neuzil sein Lieblingsmodell, mit der er im böhmischen Krumau – das ihm einige malerische Motive bietet – und dann im niederösterreichischen Neulengbach eine „wilde Ehe“ führt, was auf dem Land Anstoß erregt. 1912 lässt sich Schiele in Wien nieder und eröffnet sein Atelier in der Hietzinger Hauptstraße. Anfang 1914 lernt er die Schwestern Edith und Adele Harms kennen. 1915 heiratet er Edith, die erfolgreich darauf besteht, dass sie nun sein einziges Modell bleibt und er eine endgültige Trennung von Wally vornimmt. Erst 1918, als Edith schwanger wird, duldet sie, dass Schiele auch wieder andere Modelle nimmt.
Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder hob bei der Presseführung hervor, man solle bei Schieles Werk nicht nur die oft drastische Erotik wahrnehmen, sondern seine „Aussagen über den Menschen“. „Wir müssen einmal auch die andere, die spirituelle Seite sehen“, meint Schröder. Wenig bekannt ist zum Beispiel, dass sich Schiele für etliche Werke durch Franziskus von Assisi inspirieren ließ, mit dem ihn seine Naturliebe – davon zeugen etliche Blumen- und Landschaftsbilder –, seine Freiheitsliebe und seine Verachtung des Geldes verbanden. Ein sehr positives Urteil über Schieles Charakter gab sein Kollege Albert Paris Gütersloh ab: „Als einer der wenigen durch und durch echten Künstler war Schiele einer der wenigen gütigen Menschen.“
Immer wieder, etwa beim berühmten „Selbstbildnis mit Pfauenweste“ von 1911, fällt bei Schiele eine Fingerhaltung auf, die man „V-Geste“ genannt hat. Sie stammt ursprünglich von einem Pantokrator-Mosaik aus der byzantinischen Chora-Kirche in Konstantinopel – Christus der Weltenherrscher. Der Künstler versteht sich selbst als Heilsbringer.
Ob Schiele ein Heilsbringer war, darüber lässt sich bis heute streiten. Fest steht, dass ihm ausdrucksstarke „Aussagen über den Menschen“, über dessen existenzielle Einsamkeit, auch in der Erotik, geglückt sind. Der Mensch ist sich und seiner Umwelt entfremdet. Er ist aus dem Gleichgewicht geraten. Seine Isolierung zeigt sich auf Schieles Bildern in der Körperhaltung und Gestik. Am deutlichsten kommt dies im Porträt eines Cellospielers zum Ausdruck. Nur die ungewöhnliche Armhaltung und die gegrätschten Beine verraten die Position des Cellos, das Schiele nicht darstellt.
Gegen Ende des Ersten Weltkrieges, in dem Schiele kurz als Schreiber in einem Lager für kriegsgefangene Offiziere im niederösterreichischen Mühling bei Wieselburg Dienst tun musste, aber dann nach Wien zurückkehren konnte, erlebt er im März 1918 den großen finanziellen Durchbruch. Seine Werke werden bei der 49. Ausstellung der Wiener Secession ausgestellt. Er gestaltet nicht nur das Ausstellungsplakat, sondern tritt auch als Organisator auf und zugleich das Erbe des im Februar verstorbenen Gustav Klimt als Leitgestalt der Wiener Kunstszene an. Er verkauft zahlreiche Werke und wird mit Aufträgen überhäuft.
Die Spanische Grippe, deren Opferzahl damals die Zahl der Kriegstoten übertraf, raffte am 28. Oktober 1918 die im sechsten Monat schwangere Edith Schiele dahin. Drei Tage später, am Morgen des 31. Oktober 1918, starb Egon Schiele an der hochansteckenden Krankheit. Laut einer Notiz seiner Schwägerin Adele Harms, die er 1917 porträtiert hat, waren seine letzte Worte: „Der Krieg ist aus – und ich muss geh’n.“
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